Bürgerschaftssitzung am 26.04.2018

03.05.2018 Berichte über Bürgerschaftssitzungen

Ohne Einwohneranfragen und mit einer Gratulation an Thomas Beyer für seinen Sieg bei der Bürgermeisterwahl durch den stellvertretenden Bürgerschaftspräsidenten Siegfried Rakow begann diese Bürgerschaftssitzung, die angesichts der „übersichtlichen“ Tagesordnung eine kurze werden könnte. Ob sie auch hinsichtlich der Stimmung und des Umgangs in den Diskussionen eine andere werden würde, weil der Bürgermeister und mit ihm seine SPD nun entspannter auf die nächsten acht Jahre blicken können, haben wir uns gespannt gefragt. Wie wird nun das gemeinsam Wachsen gelebt? Wird es ein freundliches und konstruktives Ringen um die besten Lösungen geben?

Zunächst ging es um die Abstimmung der Tagesordnung. Ein Dringlichkeitsantrag war in den nichtöffentlichen Teil einzuordnen, bei dem um es die Weiterführung eines Prozesses um Schadensersatzansprüche wegen Planungsfehlern gehen sollte.

Seinen Bericht nutzte der Bürgermeister zu einer Danksagung für die Wiederwahl und zu einem Resümee über den geführten Wahlkampf. Hierbei ging er vor allen Dingen auf die Stimmungen in den sozialen Medien ein. Jedoch nicht wahrnehmend und selbstkritisch, sondern mit dem Hinweis, dass vieles dort Präsentierte und Diskutierte nicht der realen Wirklichkeit entspräche. Er wolle nun weiter mit den Bürgern im Gespräch bleiben.

Ausgehend von dem Angriff auf einen jungen Eriträer in Wendorf und den jüngsten Messerstecherfall in einem Bus appellierte er dann an die Bürgerinnen und Bürger, Zivilcourage zu zeigen. Gewalt sei immer zu verurteilen. Der Aufruf einer Initiative wurde ausgelegt und auch die Bürgerschaftsmitglieder wurden zur Unterschrift aufgefordert. Doch kein Wort zur den möglichen Ursachen. Was bewegt Menschen in Wismar zu fremdenfeindlicher Haltung und sogar Angriffen?

Aus der Verwaltung gab es dann ein paar positive Meldungen: der Doppelhaushalt 2018/20 wurde vom Innenministerium genehmigt und kann nun umgesetzt werden; für den Neubau der Grundschule werden die erforderlichen Fördermittel bereitgestellt und das PhanTechnikum wird nun dauerhaft mit 400.000 Euro im Jahr unterstützt; sicher auch ein Erfolg der schon im Jahr 2014 beschlossenen Forderung der Bürgerschaft an die Landesregierung. Das Theater zeigt eine gute Entwicklung, die Zuschauerzahlen und damit auch die Einnahmen sind gestiegen. Und damit müsste sich auch der jährliche Zuschuss aus dem städtischen Haushalt senken und für andere Aufgaben verfügbar machen lassen. Darauf werden wir bei den nächsten Haushaltsberatungen (leider wegen des Doppelhaushaltes erst im nächsten Jahr) achten.

Wir nahmen diesen Tagesordnungspunkt zum Anlass, um nachzufragen, ob und wie der Beschluss der Bürgerschaft in der Novembersitzung 2017 umgesetzt wurde, die Bürger an der Namensfindung für die neue Grundschule zu beteiligen. Doch dazu sagte der Bürgermeister lapidar, dass das die Aufgabe der Schulkonferenz sei und die werde es erst geben, wenn die neue Schule in Betrieb genommen worden ist. Beschlüsse der Bürgerschaft sind aber umzusetzen, sodass wir dazu nochmal nachhaken müssen und werden.

Ohne Aussprachen und überwiegend mehrheitlich wurden die TOP 10. bis 10.8 beschlossen, in denen es vor allen Dingen um Bauleitplanungen ging, um die Entpflichtung der in den Ruhestand eingetretenen ehemaligen Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, um die Bestätigungen eingegangener Spenden und die Vorschlagslisten für die nächsten Schöffenwahlen.

Kommen wir nun also zu den Anträgen der Fraktionen.

Auf Antrag der CDU-Fraktion soll sich der Bürgermeister dafür einsetzen, dass der wegen fortwährendem Vandalismus seit Herbst geschlossene Tierparkausgang Schiffbauerpromenade/Tierparkpromenade wieder benutzbar gemacht werden kann. Dieser Ausgang ist wichtig für die Anwohner des nahen Wohngebietes, für Senioren, für Familien mit Kindern. Ohne diesen Ausgang sind die Wege lang und beschwerlich. Aufmerksam wurden die Bürgerschaftsmitglieder auf dieses Problem im Vorfeld jedoch nicht durch den Tierpark selbst, sondern durch eine Bürgerinitiative, die mittlerweile rund 300 Unterschriften für die Wiedereröffnung gesammelt hatte. Man könnte glauben, dass dieser Antrag ohne weiteres breite Unterstützung fand. Dies war aber leider nicht so. Der Bürgermeister sah sich nicht in der Verantwortung, da der Tierpark ein eigenständiger Verein und damit allein verantwortlich für seine Anlagen sei. Außerdem könne er dem Antrag nicht entnehmen, mit welcher Maßnahme er den Tierpark bewegen könne, den Ausgang wiederherzustellen. In seiner Stellungnahme habe der Tierpark darauf verwiesen, dass ihm dafür die Mittel fehlen würden. Die SPD-Fraktion bestätigte zwar die Wichtigkeit, sah aber auch keine unmittelbare Mit-Verantwortung der Stadt. Wie wohltuend richtig dann aber die Worte von Petra Seidenberg, die darauf verwies, dass der Tierpark trotz rechtlicher Eigenständigkeit doch immer noch als quasi städtische Einrichtung mit großer Attraktivität für Bürger und Touristen anzusehen sei und das Engagement der Bürger mit den bisherigen Stellungnahmen und den fehlenden Ideen nicht wertgeschätzt würde. Auch wir sahen den Bürgermeister in der Pflicht, lösungsorientierte Gespräche zu führen und Unterstützung der Stadt möglich zu machen. Mehrheitlich wurde dann der Antrag auf Verweisung in den Bau- und Kulturausschuss beschlossen und gebeten, Vertreter der Tierparks und der Bürgerinitiative zu einer solchen Sitzung hinzuzuziehen.

Die Fraktion DIE LINKE stellte den Antrag, dass sich die Bürgerschaft der Hansestadt Wismar gegen den Vorstoß des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ausspricht, wonach Kommunen zum Zwecke ihrer Haushaltsfinanzierung angehalten werden, mit den personenbezogenen Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger am Markt zu handeln. Bevor wir nachfragen konnten, um welche personenbezogenen Daten es dabei gehen könnte, ob es schon diesbezügliche Ankaufanfragen gegeben hat oder gar schon bisher Daten verkauft wurden, bat der Bürgermeister um eine differenziertere Betrachtung. Es sei zu unterscheiden zwischen globalen Daten zum Beispiel zur Einwohner-, Erwerbs- und Wohnentwicklung und personenbezogenen Daten. Globale und damit anonymisierte Daten würden auf Nachfrage zur Verfügung gestellt bzw. seien auch in dem veröffentlichten ISEK-Dokument auf der Homepage für jeden nachzulesen. Meldedaten können nach der derzeitigen Gesetzeslage in bestimmten Fällen übermittelt werden, wenn der Bürger nicht gegenüber dem Einwohnermeldeamt seine Zustimmung verweigert hat. Über diese Fälle hinaus sei kein weiterer Verkauf zu kommerziellen Zwecken beabsichtigt. Insofern solle hier kein „Schreckgespenst“ aufgebaut werden. Nach entsprechendem Antrag wurde diese Angelegenheit zur weiteren Beratung in den Verwaltungsausschuss verwiesen.

Als nächstes und letztes folgten zwei Anträge unserer Fraktion.

Viele Bewohner Wismars treten immer wieder mit Fragen an uns heran, was in der Stadt geplant ist oder wie sich bekannte Vorhaben entwickeln. Sie wollen wissen, wann Großbaustellen beginnen oder fertig sind, wie Verkehrsführungen während der Bauphasen geplant sind und einiges mehr, von dem die Bürger glauben, dass es auch ihr Leben beeinflusst oder beeinflussen wird. Und manches Mal möchten sie auch wissen, ob und wie sie sich in die Stadtentwicklung einbringen können. Dies hat uns erneut veranlasst, den Bürgermeister aufzufordern, die Bürger im Internet frühzeitig, laufend und umfassend und vor allem aktuell über wichtige Projekte der HWI zu informieren.

Hierzu durften wir uns erst einmal anhören, dass die als Beispiele genannten Projekte Hochbrücke Rostocker Straße, die Unterführung der Poeler Straße, die Erfüllung der Jugendarrestanstalt mit neuem Leben keine Maßnahmen der Hansestadt Wismar sind und deswegen nicht auf der Homepage darüber informiert werden könne. Über alle anderen Projekte würden die Bürger zeitnah und ausreichend im Stadtanzeiger, auf der Homepage, in der Zeitung informiert. Wir sollten bitte keinen Popanz (= zu einem bestimmten Zweck viel Getöse um etwas machen) aufbauen.

Verstanden haben wir diese unfreundlich wirkende Argumentation und den Wiederstand gegen unseren Vorschlag nicht. Auch bei Projekten, die vom Land oder von der Deutschen Bahn zum Beispiel verantwortet werden, wird die Hansestadt Wismar umfassend beteiligt und ist über den Stand der Dinge informiert. Und wenn sie tatsächlich nicht selbst berichten dürfte, könnte sie sich mindestens für autorisierte Informationen durch die Projektträger einsetzen. Zugleich wurde uns vor der Sitzung mitgeteilt, dass es nun auf der Homepage der Stadt einen neuen Informationsbereich gibt, was vom Bürgermeister so dargestellt wurde, dass es unseres Antrages nicht bedürfe. Doch ganz im Gegenteil, unser Antrag hat diese verbesserte Information angeschoben und das hätte man bei etwas weniger Überheblichkeit auch positiv würdigen können.

Ist es Populismus, den Bürgermeister auf Anregung von Bürgern zu bitten, Verbesserung des Verkehrsflusses durch Änderung der Ampelschaltungen auf den Straßen Wasserstraße/Am Hafen und Lübsche Straße zwischen Kreisverkehr Ulmenstraße und Wendorf zu veranlassen? Selbst die Ostsee-Zeitung hat dieses Anliegen aufgegriffen und in einem Kommentar die Situation bestätigt. Und in einem Bericht der Verwaltung zur Vorbereitung der Bürgerschaftssitzung wird dieses ebenfalls nicht geleugnet. Dennoch wurden einige Argumente vorgebracht, wie Bürgerschaft nicht zuständig, Baumaßnahme Schweriner Tor kurz vor dem Ende, neue Verkehrssituation durch Baumaßnahme Poeler Straße und durch die Werft, neues Verkehrsgutachten, um zu belegen, dass dieser Vorstoß nicht als zielführend angesehen wird. Und wie wir es ahnten, schwang sich auch Frau Runge als Verkehrsexpertin auf, uns deutlich zu machen, wie unmöglich, teuer und falsch unser Vorschlag doch sei. Ihrem langen Vortrag war kaum zu folgen. Hellhörig wurden wir jedoch, als sie uns erneut Populismus vorwarf, denn bald seien ja Bürgerschaftswahlen. Aber wie bitte soll man, sollen wir anders die Interessen der Bürgerinnen und Bürger (und nicht Parteiinteressen oder Bürgermeisterauffassungen) vertreten, was unsere ausschließliche Aufgabe als Bürgerschaftsmitglieder ist?

Lassen Sie uns mit einem kleinen Auszug zum Begriff „Populismus“ enden und hoffen, dass dem Streiten um die besten Konzepte in Zukunft nicht weiter mit diesem und den Begriffen „Popanz“ oder „Schreckgespenst“ der Garaus gemacht wird und wir und andere Bürgerschaftsmitglieder nicht den Glauben an gute Demokratiekultur verlieren.

„Der Populismus-Vorwurf ist ein gern genutztes Mittel in der politischen Auseinandersetzung. Kaum ein Politiker, der nicht schon andere Parteien und Politiker bezichtigt hätte, “populistische” Forderungen zu verbreiten. Das soll den politischen Gegner abwerten und die Ernsthaftigkeit und Realisierbarkeit seiner Forderungen in Abrede stellen. Die mit dem Populismus-Vorwurf einhergehenden Assoziationen reichen von “Stammtisch-Niveau” bis hin zu “Demagogie”. Der angebliche Populist zielt in dieser Sichtweise darauf ab, die Gunst der Massen zu erringen, indem er Versprechungen macht, ohne auf deren Umsetzbarkeit zu achten. Versteht man Populismus in diesem Sinne vor allem als ein Stilmittel, das auf eine größtmögliche mediale Aufmerksamkeit abzielt, so kann man den Populismus-Vorwurf durch Politiker selbst als “populistisch” bezeichnen.“ (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de, „Was versteht man unter “Populismus”?)

Frau Runges Rede, in einem nachfolgenden Beitrag von Herrn Schwarzrock als satirische Einlage bezeichnet, bekam jedenfalls als Alternative zu einer weiteren Auseinandersetzung mit ihrer Art und Weise des politischen Dialogs großen Applaus, den sie von uns sicher weder erwartet noch gewollt hatte. Und der Antrag bekam 16:16:0 Stimmen und damit leider keine Mehrheit.

Damit endete der öffentliche Teil dieser Bürgerschaftssitzung ungewöhnlich, aber in für uns humorvoller Stimmung.